Geschichte des TWH
Ende der 60er Jahre wurde das staatliche Erziehungswesen in Frage gestellt. Die Mißstände in Heimen und sogenannten Erziehungsanstalten wurden in die Öffentlichkeit getragen. Es entstand eine "Heim-Kampagne". Immer mehr Jugendliche brachen von zu Hause und aus Heimen aus und gingen auf Trebe. Diese Kampagne wurde unterstützt und aufgenommen von StudentInnen, DozentInnen, LehrerInnen und engagierten JournalistInnen. Die Jugendlichen suchten sich Treffpunkte, um sich ohne staatliche Hilfe zu organisieren.
Da das 1972 gegründete Kultur- und Jugendzentrum "Drugstore" nur tagsüber zur Verfügung stand, besetzten sie im Februar 1973 (nach langen ergebnislosen Verhandlungen mit dem "Berliner Senat" und Wohnungsbaugesellschaften) das "Drugstore" in Berlin Schöneberg, mit dem Ziel, das Haus in der Wilhelmstraße 9 für kollektives Wohnen von der Stadt zu erzwingen. Das Gebäude in der Wilhelmstraße 9 wurde bis 1969 von der Firma Eternit zur Unterbringung von "Gastarbeitern" genutzt, und stand seit dem leer.
Der SSB e.V., dem schon einige der TrebegängerInnen angehörten, wurde als Trägerverein gewählt. Nach zähen Verhandlungen mit dem Senat wurde am 2. März 1973 ein auf ein Jahr befristeter Nutzungsvertrag unterzeichnet. Am darauffolgenden Tag fand der, zunächst auf 2 Etagen begrenzte, Einzug statt. Die Nutzung der beiden oberen Etagen wurde wegen baulicher Mängel untersagt, was zu einer Überfüllung der Etagen führte.
Das Haus wurde von den Jugendlichen nach dem 23jährigen Anarchisten Thomas Weißbecker, der am 2. März 1972 in Augsburg von der Polizei erschossen wurde, benannt.
Es wurden gemeinsame Kassen, ein Küchendienst und ein Weckdienst für SchülerInnen eingeführt. Es gab wöchentliche Plena, auf denen versucht wurde, Lösungen für die Probleme des täglichen Lebens zu finden. Besonderer Schwerpunkt war hier auch die Suche nach Arbeits- und Ausbildungsstellen, und die gegenseitige Unterstützung durch Kenntnis und Erfahrungsaustausch um die Probleme des Arbeitslebens zu meistern. Nicht alles lief wie geplant, doch der vermutete Hintergedanke des Senats, daß die Jugendlichen nicht in der Lage wären, eigenständig mit ihrem Leben und Problemen fertig würden, und in kürzester Zeit kapitulieren würden, erfüllte sich nicht.
Das Haus gab den ehemaligen TrebegängerInnen ein Dach über dem Kopf, und damit für viele zum ersten Mal die Chance, ihr Leben vernünftig regeln zu können. Aus der Gemeinschaft heraus entstand das Gefühl gebraucht und verstanden zu werden, für jemanden da zu sein und das Gefühl, nicht allen Menschen gleichgültig zu sein. Hieraus ließ sich Kraft und Mut schöpfen, um auch nach persönlichen Rückschlägen einen neuen Versuch zu wagen. Es entstand ein Gefühl der Solidarität, das für die zum größten Teil aus Heimen und zerrütteten Elternhäusern kommenden Jugendlichen vorher unbekannt war.
1974 wurde ein verbesserter, allerdings auch wieder auf ein Jahr befristeter Nutzungsvertrag abgeschlossen. Nun nahm aber die staatliche Repression drastisch zu. Regelmäßig wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Diese hatten ihren Höhepunkt mit der polizeilichen Durchsuchung im März 1975, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der sogenannten "Bewegung 2. Juni" stand. Bei dieser Durchsuchung entstand ein Sachschaden von rund 40tausend DM. Alles, was mühselig in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut worden war, wurde von der Polizei zerschlagen. Ratlosigkeit und Verzweiflung über die Verwüstung des Projektes machte sich auch in der zuständigen Stelle des Senates für Jugend und Sport breit. Die vor der Öffentlichkeit im Winter schwer vertretbaren Sachschäden an Fenstern, Öfen, Türen, Waschmaschinen usw. wurden im Laufe der nächsten Wochen mit Hilfe des Senats behoben.
Über die entstandenen Privatschäden der BewohnerInnen reichte der ssb eine Schadenersatzklage über knapp 13.000 Mark ein. Bevor die Klage verhandelt wurde, bot der Innensenat eine Abfindung über 10tausend Mark an. Um jahrelange Verfahrenswege zu vermeiden, entschied man sich damals, das Angebot anzunehmen. Noch bevor das Haus in der Wilhelmstraße wieder bewohnbar gemacht wurde, führte die Bauaufsichtsbehörde eine Begehung durch, und nur durch die Solidarität und die Proteste der Öffentlichkeit konnte eine drohende Schließung des Hauses, wegen der durch die Durchsuchung verursachten baulichen Mängel, verhindert werden.
Dies und ein Ultimatum des Senates, der den vom Verein eingesetzten Hausmeister nicht akzeptieren wollte, zeigte daß das Projekt am Kippen war. Der Senat bot das Haus auch der Arbeiterwohlfahrt zur Nutzung an. Ende 1975 versuchte der Senat, durch das Aufzwingen einer Sozialarbeiterstelle für das Thomas-Weissbecker-Haus, mehr Kontrolle und Einfluß auf das Haus zu gewinnen. Glücklicherweise erklärte sich eine Frau aus dem Umfeld des TWH bereit, diese Stelle zu besetzen, so daß die Eigenständigkeit des Projektes gewahrt blieb.
Nach den zwei ersten turbulenten Jahren stellte sich eine scheinbare Ruhe ein, die jedoch immer wieder durch unverhältnismäßig harte polizeiliche Durchsuchungen "gestört" wurde; aus geringstem Anlaß, z.B. wegen Ruhestörung, wurde das Haus regelmäßig von 50 und mehr Polizisten durchsucht, teilweise mit gezogener Waffe und Maschinenpistolen im Anschlag. Dieser untragbare Zustand besserte sich erst, nachdem in einem Gespräch mit der Berliner Senatsverwaltung vereinbart wurde, daß die Senatsverwaltung von geplanten Durchsuchungen in Kenntnis gesetzt werden musste, und ihrerseits die Sozialarbeiter die Sozialarbeiter des TWH im Voraus informierte um, wenn möglich, den Sachverhalt vorab zu klären, und eine Durchsuchung abzuwenden.
Seit der Gründung war am TWH von den BewohnerInnen andauernd renoviert und gebaut worden, doch fehlte es immer an finanziellen Mitteln für Werkzeuge und Baumaterialien. Daher wurden im Jahr 1980 Gelder für die Renovierung und Instandhaltung des Hauses in der Wilhelmstraße beantragt, die BewohnerInnen des Hauses sollten in die geplanten Bau- und Renovierungsarbeiten soweit wie möglich einbezogen werden. Nach langem bürokratischen "Hick-Hack" wurden 1982 im Rahmen der Selbsthilfe und der anstehenden "Internationalen Bauausstellung Berlin 1984" endlich Gelder für die Renovierung des Hauses bewilligt.
Nun begann eine umfassende Renovierung und Sarnierung des Hauses, die bis zur Fertigstellung der Fassade insgesamt sieben Jahre dauern sollte. Die BewohnerInnen des Hauses wurden weitgehend in die Arbeiten eingebunden. Installationen und Sanitäranlagen wurden komplett erneuert, das Dach wurde erneuert, so daß auch die beiden oberen Etagen bewohnbar wurden, die Böden auf allen Etagen wurden renoviert und teilweise komplett erneuert. Eine Warmwasser- und Heizungsanlage wurde eingebaut.
Mit der Fertigstellung des Fassadenbildes 1989 als letzte Baumaßnahme war das gesammte TWH fertiggestellt.